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Nanostrukturen - Von der Natur geschaffen

Die Nanotechnologie, ein sich in den letzten Jahren rasant entwickelnder, gebietsübergreifender Zweig der Forschung und Entwicklung, der sich mit der Herstellung und Anwendung nanostrukturierter Materialien befasst, hat seine Vorbilder in der Natur.
Natürliche nanostrukturierte Materialien sind in der belebten und unbelebten Natur in vielfältiger Form vorhanden und werden seit über 100 Jahren vom Menschen auch technisch genutzt. In den Millionen Jahren der Evolution konnten sich in den biologischen Systemen optimierte, multifunktionale, nanoskalierte Strukturen herausbilden. Dabei wird insbesondere die Wechselwirkung zwischen Festkörpern oder lebenden Organismen mit ihrer Umwelt wesentlich von der Nanostruktur ihrer Grenzflächenschichten bestimmt. Auch die makroskopischen Eigenschaften der Körper, wie z.B. deren mechanische Festigkeit, sind eng mit der mikroskopischen Anordnung der beteiligten Bausteine verknüpft.
Im Folgenden soll dies an Hand von drei unterschiedlichen Nanostrukturen aus der belebten Natur verdeutlicht werden.

Transmissionselektronenmikroskopische Aufnahme eines Ultradünnschnitts aus der Kortikalis eines menschlichen Oberschenkelknochens. Die dunkel erscheinenden Objekte sind Hydroxylapatit-Plättchen, die in verschiedenen Ausrichtungen im Knochen vorliegen.
Mikrographie aus dem Institut für Werkstoffwissenschaft der Martin-Luther Universität Halle.

Knochenstruktur
Bis heute ist es ein aktueller Gegenstand der Forschung, wie die Natur harte und sehr feste Kompositmaterialien, wie Knochen, Zähne oder Muschelschalen, aus einer Mischung von weichen, zähen Proteinen und eingebetteten harten aber spröden Mineralkristallen erzeugt. Dabei besitzen viele Organismen eine hoch entwickelte Kontrolle über die Kristallisationsprozesse; sie bestimmen Kristallstruktur und -form. Diese reicht von den filigranen silikathaltigen Strukturen der Kieselalgen bis hin zu hoch bruchfesten Knochenstrukturen.
Als Beispiel soll eine elektronenmikroskopische Aufnahme von menschlichem Knochen dienen. Knochen ist ein hierarchisch aufgebautes Gewebe. Er besteht in seiner untersten Organisationsebene zum größten Teil aus einem Gerüst selbstorganisiert wachsender, organischer Kollagenfibrillen mit eingelagerten Hydroxylapatit-Kristallplättchen. Auf höherer hierarchischer Ebene (sub-mm) hat das Gewebe eine trabekulaere (schwammartige) Struktur. Die größere Bruchzähigkeit von Knochen hängt von der Struktur auf allen Hierarchieebenen ab, aber insbesondere die spezielle Nanostruktur macht es dem Knochen möglich Spannungsüberhöhungen an Defekten bei mechanischer Belastung effizient abzubauen.
Die Komposite aus der Natur sind damit Vorbilder für die Herstellung von festen, aber trotzdem fehlertoleranten Materialien wie es z.B. in der Industrie durch Zugabe von speziellen Füllstoffen zu Polymermischungen erreicht werden soll.

Der "Lotus-Effekt"
Bei Regen kann man beobachten, dass bestimmte Pflanzenoberflächen (z.B. die Blätter von Kohl, Kapuzinerkresse und insbesondere der Lotusblume) von Wasser nicht benetzt werden und zugleich vollkommen schmutzabweisend sind. Der Grund liegt in der kombinierten Mikro- und Nanostruktur der Pflanzenoberflächen, wie eine Arbeitsgruppe an der Universität Bonn Anfang der neunziger Jahre herausfand. Durch diese Strukturierung wird eine hydrophobe glatte Oberfläche superhydrophob, also extrem wasserabstoßend (vgl. Abbildung). In der rauen Blattoberfläche wird Luft so eingeschlossen, dass sich die Kontaktfläche zu einem Flüssigkeitstropfen oder Schmutzpartikel minimiert - der Tropfen zieht sich, bedingt durch seine Oberflächenspannung, zu einer Kugel zusammen und rollt bei geringsten Neigungswinkeln scheinbar reibungslos ab. Dabei werden auch eventuell vorhandene Schmutzpartikel mitgerissen; die Blattoberfläche reinigt sich so quasi selbst. Dieses Verhalten wird auch als "Lotus-Effekt" bezeichnet.


Wassertropfen auf einem Grünkohlblatt (3fach vergrößert). Die Tropfen berühren die superhydrophobe Blattoberfläche nur an wenigen Punkten und ziehen sich auf Grund der Oberflächenspannung zu einer Kugel zusammen.

Rasterelektronenmikroskopisches Bild der Blattoberfläche. Durch die Kombination von Mikro- (Zellen) und Nanostruktur (Wachskristalle) wird die effektive Kontaktfläche zu einem Flüssigkeitstropfen minimiert.

Man findet ihn auch im Tierreich z.B. bei Libellen- und Schmetterlingsflügeln. Technologisch wird derzeit versucht, den Lotus-Effekt nachzubilden, um sich selbst reinigende Fassadenfarben, Dachziegel oder Polymerfolien für Solarzellen und Glasfassaden zu entwickeln.

Elektronenmikroskopisches Sekundärelektronenbild natürlicher Nanostrukturen in Kieselgur (Diatomeen-Sedimenten) mit Ausschnitten in unterschiedlicher Vergrößerung.


Kieselalgen (Diatomeen)
Kieselalgen bevölkern in einer riesigen Artenvielfalt unseren Planeten schon seit Urzeiten und zählen bis heute als Plankton in den Weltmeeren zu den größten Sauerstoffproduzenten. Alle der mehr als zehntausend Arten haben eines gemeinsam - sie umgeben sich mit einem Skelett aus Siliziumdioxid in Form von amorpher Kieselsäure. Nach dem Absterben der Algen sinken deren Skelette auf den Meeresboden, wo sich über viele Millionen Jahre riesige Sedimentschichten ansammelten.
Im Jahre 1836 entdeckte ein Fuhrmann zufällig in der Lüneburger Heide erstmals große Vorkommen solcher Ablagerungen aus dem Miozän in Form von "weißer Erde", die heute als Kieselgur oder Diatomeenerde bekannt ist. Gegenwärtig werden weltweit ca. 1,8 Mio. t jährlich im Tagebau gefördert; die Gesamtvorkommen auf der Erde werden auf insgesamt etwa 900 Mio. t geschätzt.
Kieselgur wird aufgrund der porösen Struktur der Kieselalgenschalen nach Aufarbeitung vor allem als Filtrierhilfsmittel in der Anschwemmfiltration u.a. zur Klärung von Fruchtsäften, Wein und Bier sowie in der Zuckerindustrie verwendet. Weiterhin kommt Kieselgur als Dämm- und Baustoff zur Wärme- und Schallisolierung sowie als Schleifmittel, z.B. in Zahnpasta, zum Einsatz.
Alfred Nobel vermischte 1865 (deutsches Patent 1867) Diatomeenerde mit dem sehr stoßempfindlichen Nitroglycerin und erfand so das stoßunempfindlichere Dynamit. Für Mikroskopiker sind Diatomeen ein beliebtes Objekt zu Test- und Justierzwecken.
Die elektronenmikroskopischen Aufnahmen zeigen typische Strukturen der Diatomeenschalen. Vergleichbare Strukturen findet man auch in den künstlich hergestellten Nanoporen und -kanälen.

Frank Heyroth und Bodo Fuhrmann




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